„Der Wolf kann in einigen Jahren gejagt werden“

Dieses Zitat des sächsischen Umweltministers Frank Kupfer aus einem Interview der Sächsischen Zeitung vom 10.01.14 gilt es wörtlich zu nehmen, ebenso wie verschiedene weitere Äußerungen des Ministers zur Causa Wolf in diesem Artikel.

Nur sollte man sich darüber im Klaren sein, dass gerade der Ressortchef eines so breit aufgestellten Ministeriums nur so gut informiert sein kann, wie es die für die einzelnen Fachbereiche zuständigen Mitarbeiter zulassen. Dies gilt in besonderem Maße für den Umgang mit dem Wolf in Sachsen, dessen Vorkommen, Vermehrung und Auffälligkeit je nach Betroffenheit und ideologischer Einstellung der Beteiligten sehr unterschiedlich wahrgenommen und diskutiert wird. Das Meinungspektrum ist breit gefächert, wobei sachkundige Positionen eine geringe Minderheit darstellen. All dies dürfte, glaubt man dem seit 2009 gültigen Managementplan für den Wolf in Sachsen, überhaupt kein Problem sein. Alles ist bestens geregelt, die Bevölkerung ist von hoch motivierten und sachkundigen Mitarbeitern eines eigens installierten Wolfsbüros sowie weiteren staatlichen Dienststellen bestens geschult und positiv auf Isegrim eingestellt.

Doch was geschieht? Ein Interview des Herrn Ministers offenbart Abgründe in seinem Ressort und schickt ihn mit schlichter Desinformation und billigster Klischeedarstellung an die Öffentlichkeit, was der durch aktuelle Ereignisse berechtigt angeheizten Diskussion nur neues Feuer gibt.

Es ist unwürdig, wenn abgedroschene Stammtischparolen zur Herkunft der Lausitzer Wölfe von einem Fachminister wiederholt werden, um sie dann noch mit abwegigen Gedanken zur Umsiedlung und Vergrämung dieser Tiere zu garnieren. Derartige Randmeinungen haben in der öffentlichen Diskussion ebenso wenig verloren wie die Standpunkte derer, die den Artenschutz auf den Rückkehrer Wolf reduzieren wollen. Es ist genau der Personenkreis, der bereits im noch gültigen Managementplan für den Wolf in Sachsen festgeschrieben hat, dass sich das eigentlich erforderliche Wildtier-Management auf ein Wolf-Management zu reduzieren hat; eben dieses besteht nach diesem Papier darin, der betroffenen Bevölkerung die gewünschte Akzeptanz beizubringen. NGO’s „guten Willens“ sind dabei herzlich willkommen. Ob und wie die Akzeptanz großer Beutegreifer in eben dieser Landbevölkerung erreicht werden kann, wurde schon vor Jahren durch die IUCN (International Union for Conservation of Nature) und im Auftrage der EU durch die LCIE (Large Carnivore Initiative for Europe) ausführlich beschrieben. Dies soll hier nicht wiederholt werden, auszugsweise Übersetzungen dieser Papiere gibt es hier und hier.

Der geneigte Leser wird feststellen, dass diese Empfehlungen das präzise Gegenteil dessen darstellen, was 2009 für Sachsen, und (fast in Abschrift) 2013 für Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern beschlossen wurde.

Einen weiteren Punkt des Interviews gilt es genauer zu betrachten: Der Herr Minister definiert den günstigen Erhaltungszustand einer Wolfspopulation mit einem Bestand von 250 adulten Tieren in der „Mitteleuropäischen Flachlandpopulation“, um gleich darauf diesen Bestand bei 52 Rudeln mit 104 Individuen festzulegen. Diese Anwendung der Grundrechenarten hält mit der Populationsdynamik nicht Schritt. Hier werden mal eben die Elterntiere der Rudel mit einem adulten Bestand gleichgesetzt. Die Zahlen entsprechen für Deutschland dem Ergebnis des Monitoringjahres 2012, für Polen der Frühjahrszählung 2013. Zuwächse aus 2013 sind somit noch nicht eingerechnet. Die in der Population vorhandenen 52 Paare hatten, folgt man den Ergebnissen des Monitorings der Vorjahre, in 2012 ca. 190 Welpen, in 2011 dürften es ca. 140 gewesen sein. All diese Wölfe sind inzwischen adulte Tiere, auch wenn die aus 2012 noch als Jährlinge zu den Rudeln gehörten. In der Addition ergibt dies für das Frühjahr 2013 einen Bestand von ca. 430 adulten Tieren zwischen Weichsel und Weser. Damit wäre der günstige Erhaltungszustand dieser Population bereits erreicht. Mit dem aus 2013 anzunehmenden Zuwachs wären es im kommenden Frühjahr 2014 mit dem Zuwachs aus ca. 70 Rudeln im Vorjahr (ca. 250 Welpen)immerhin bereits 580 Wölfe im gleichen Territorium - natürliche Verluste bereits einberechnet. Dunkelziffern aus diesen Faktoren sollten sich mit verspätet entdeckten Rudeln ausgleichen – so geschehen z. B.im Hohwald, wo das Rudel über ein Jahr dem Monitoring entging.

Also Herr Minister, wie war das mit dem günstigen Erhaltungszustand?

Oder ist es damit so wie mit der „natürlichen Scheu“ der Wildtiere vor dem Menschen? Diese Scheu ist das Ergebnis negativer und auch letaler Erfahrungen, die innerhalb der Rudel auch von den Jungtieren angenommen werden. Sie geht bei Tieren sehr schnell verloren, wenn sie mit dem Menschen und seiner Witterung keine Gefahr mehr verbinden. Den hier lebenden Wölfen droht seit mehreren Generationen durch den Menschen keine Gefahr mehr und Welpen, die mit ihren Eltern im Rudel um die Dörfer ziehen, werden dies auch als erwachsene Wölfe tun. Ob und wie lange dies ohne ernsthafte Konsequenzen bleibt, ist keine Frage der Schulung der Bevölkerung durch ein Wolfsbüro, sondern eher die der rechtzeitigen Einsicht, dass Isegrim doch nicht so harmlos ist, wie seine Jünger in Ihrem Ministerium es gerne verbreiten.

Der traurige Unfall bei Diera-Zehren hat hierzu Fragen aufgeworfen, die man sich in einem sachgerechten Wildtiermanagement bei Rückkehr eines großen Beutegreifers deutlich früher hätte stellen müssen. Die Diskussion über das Vorhandensein eines Gutachtens zu diesem Vorfall gerät inzwischen zur Posse. Ein aus diesem Anlass an das Innenministerium (immerhin ging es um einen Verkehrsunfall) gerichteter „Brandbrief“ über dessen Inhalt und Qualität man trefflich streiten kann, hat die Diskussionen über den Wolf in Sachsen kräftig angeheizt. Er enthält übrigens eine Adresse, wo man dieses Gutachten anfordern kann. Nur bitte, wenn hier aus Privatinitiative ermittelt und begutachtet wurde:

Wo war denn der Rissbegutachter des Landratsamtes?

Wo war denn der Wolfsbeauftragte?

Wo waren die Damen vom Büro LUPUS?

Wer hat denn von offizieller Seite versucht, den Ursachen dieses bisher noch nicht anschließend geklärten Herdenausbruches, der beileibe nicht der erste in Sachsen war, auf den Grund zu gehen? Hier Absicht zu unterstellen, wäre nicht fair, aber ein wenig gewollte Nachlässigkeit war schon dabei. Es bleibt hier die Frage, in wessen Händen jetzt die seriöse Bewertung dieses Falles liegt, damit der Umweltminister irgendwann etwas dazu sagen kann. Oder war es dann wie im Hohwald und anderswo irgendwann das „wolfsähnliche Tier“, ein Vorschlag für das sächsische Unwort des Jahres 2013?

Wenn sich im Nachhinein eine Vertreterin des Kontaktbüros in der Presse so äußert, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass ein so großes und wehrhaftes (?) Tier wie ein Pferd vor dem Wolf in Panik gerate, darf an dieser Stelle auch die Frage nach der Sachkenntnis und Qualität dortiger Öffentlichkeitsarbeit gestellt werden.

Am Schluss bleibt die Frage, wann Sachverstand und Kenntnisse wolfserfahrener Länder und Organisationen des Artenschutzes (IUCN und LCIE) den unsachgemäßen und ideologisch geprägten Umgang mit dem Wolf im Umweltministerium ablösen?

Der Minister kann nur so gut sein, wie die Mannschaft, die für ihn arbeitet, aber er bestimmt die Mannschaftsaufstellung – oder?